Da die Südtiroler und Südtirolerinnen nach der Angliederung an Italien allen Zwängen der Faschisten zum Trotz ihre deutsche Sprache und Kultur nicht aufgegeben hatten, ein ständiger Unruheherd zwischen Rom und Berlin waren, beabsichtigten Mussolini und Hitler, die Südtiroler Bevölkerung ins Deutsche Reich umzusiedeln. Am 23. Juli 1939 wurde das Optionsabkommen in Berlin abgeschlossen. Den Südtirolern und Südtirolerinnen wurde die Option eingeräumt: Entweder ins Deutsche Reich auswandern und dort ein gemeinsames Siedlungsgebiet zu bewohnen, oder weiterhin ohne Minderheitenschutz in dem von Italien annektierten Südtirol zu bleiben.
Unter diesem Druck entschieden sich rund 86 Prozent der Südtiroler Bevölkerung für die Auswanderung nach Deutschland. Auf Grund der Kriegsereignisse kam es schon bald zu einer Verzögerung der Auswanderung. Schlussendlich fuhren tatsächlich über 75.000 Südtiroler und Südtirolerinnen mit Hab und Gut über den Brenner.
Da auch von den ursprünglich versprochenen Siedlungsgebieten keine Rede mehr war, mussten in aller Eile neue Siedlungen für die Südtiroler Optanten und Optantinnen gebaut werden.
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In Österreich – es hieß ab 15. Oktober 1939 Ostmark – wurden in 130 Gemeinden Häuser für die Südtiroler Optanten und Optantinnen gebaut.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrten nur etwa 25.000 Südtiroler Optanten und Optantinnen wieder in ihre alte Heimat zurück. Für alle anderen waren die Südtiroler Siedlungen die Basis für ein neues Leben in der Fremde.Seit der Errichtung dieser Siedlungen hat sich der Bestand der Anlagen zwar verändert, das architektonische und raumplanerische Konzept ist aber noch sichtbar. Die architektonische Oberaufsicht über den Bau der Siedlungen hatte damals der aus Dresden stammende Architekt Helmut Erdle. Die fast einheitliche Ausdrucksweise der Architektur dieser Siedlungen, die ihr Erscheinungsbild prägen, kann man heute als Ausdruck einer „Blut-und-Boden-Ideologie“ kritisieren. Man muss aber bedenken, dass hinter dieser Gestaltung romantisch-alpiner Prägung die Absicht stand, die Südtiroler und Südtirolerinnen sollten sich in den Häusern zu Hause fühlen. Dazu zählte alles, was als Südtiroler Stil empfunden wurde: Umlaufende Balkone, Erker, Fensterläden und Fresken an den Hauswänden.
Da die lokal mitarbeitenden Architekten formal ansprechende Arbeit leisteten, zeigen die Bauten im Detail viel überraschend gute Lösungen. Vor allem in den raumplanerischen Lösungen und in der Gestaltung von Plätzen und Straßenräumen ist vieles vorbildhaft.
Die beispielhaften Bauten und Ensembles sind aus heutiger Sicht eine gelungene raumplanerische und architektonische Großtat, da Menschen aus ganz verschiedenen Orten kommend in Dorf- und Stadterweiterungsgebieten anzusiedeln waren.
Ein unverhoffter Fund von Plänen, ergänzt durch eine systematische Fotokartei, ist nun die Grundlage einer lückenlosen, bisher nicht veröffentlichen Dokumentation der Südtiroler Siedlungen. Die über 800 Fotodokumente von 1986-1987 wurden von Architekt Bernard Köfer (1946-2003) auf seinen Informationsfahrten angefertigt. Zu diesem Zeitpunkt waren vor der großen Erneuerungswelle die meisten Siedlungen im Originalbestand erhalten. Die Bilddateien bieten authentische Informationen über die bestehenden Siedlungsorte. Mit der Typologie der Wohnungsangebote konnte dank des Grünraumbezugs und des sonstigen Wohnumfeldes den Siedlern ein angemessener, ihnen vertrauter Lebensraum zur Verfügung gestellt werden.
In Anknüpfung an den Siedlungsbau der 1930er-Jahre hat das Wohnen im Kontext mit dem Grünraum als Selbstversorger das Überleben ermöglicht.
Es bieten sich in Ableitung wertvolle Impulse für zukunftsweisende Wohnformen, die nach der Corona-Pandemie durchaus flexible Grundrisse und zum Innenhof hin zugewandte, halboffene Bereiche für neue Arbeitsräume (Smartworking) erlauben.
La documentazione comprende un ricco glossario edilizio che, assieme al materiale storico, mostra anche lo stato attuale dei luoghi (estate 2022).
Günther Pallaver
Restare o andare
Die Südtirol Option 1939 und ihre Folgen
L'accordo di Berlino
Heinrich Himmler (1900-1945), Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei, zeigte sich mit dem Ergebnis voll zufrieden. Die fünf italienischen und die zwölf deutschen Delegierten hatten in knapp zwei Stunden im Hauptamt der Geheimen Staatspolizei in Berlin eine „endgültige Lösung des Problems Südtirol“ erzielt. An jenem 23. Juni 1939 war die Umsiedlung der Südtiroler und Südtirolerinnen, insgesamt rund 250.000 Personen, ins Deutsche Reich beschlossene Sache.
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„Endgültig gelöst“ hatte der Führer Adolf Hitler (1889-1945) das Südtirolproblem bereits nach der Besetzung Österreichs, als er am 7. Mai 1938 anlässlich seines Besuchs in Rom in Anwesenheit von Benito Mussolini (1883-1945) vom Palazzo Venezia herab verkündete: „Belehrt durch die Erfahrung zweier Jahrtausende, wollen wir beide, die wir nun unmittelbare Nachbarn geworden sind, jene natürliche Grenze anerkennen, die die Vorsehung und die Geschichte für unsere beiden Völker ersichtlich gezogen hat.“ Damit hatte Hitler den Brenner zur „völkischen“ Wasserscheide erklärt.
Nähere Bestimmungen zur Durchführung der Vereinbarung folgten erst am 21. Oktober 1939.
Mit der Berliner Vereinbarung vom Juni 1939 wurde die Bevölkerung von Südtirol vor die Alternative gestellt, sich durch die Unterzeichnung des „roten Stimmzettels“ entweder für die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft zu entscheiden und als Folge davon ins Dritte Reich auszuwandern, oder durch die Unterzeichnung des „weißen Stimmzettels“ die italienische Staatsbürgerschaft beizubehalten und weiterhin in der Provinz Bozen unter faschistischer Herrschaft zu leben.
Es gab noch eine dritte Möglichkeit, die als „graue Option“ bekannt ist und ebenfalls von zahlreichen Südtirolern und Südtirolerinnen genutzt wurde. Wer überhaupt nichts unternahm, der galt auch weiterhin als italienischer Staatsbürger.
Südtirol war längst nicht das erste Gebiet, das der Politik der Umsiedlung anheimfiel, zumal die angestrebte ethnische Homogenisierung der Nationalstaaten nach dem Ersten Weltkrieg über die Methode der ethnischen Säuberung verwirklicht wurde, zu der auch der Bevölkerungsaustausch zählte, der in der Regel durch Zwang erfolgte. Am bekanntesten dürfte das griechisch-türkische Abkommen von Lausanne aus dem Jahre 1923 sein, das den gegenseitigen zwangsweisen Bevölkerungsaustausch vorsah. 1,25 Millionen Griechen in der Türkei wurden gegen 400.000 Türken in Griechenland ausgetauscht.
Solche Überlegungen stellten auch die Nazis mit Blick auf Südtirol an, wenngleich diese auf ältere Denkmuster zurückgriffen, diese aber radikalisierten. Unter anderem hatte es auch geopolitische Rassen-Theoretiker gegeben, die 1927 den Tausch der italienischen Bevölkerung im Tessin mit der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols vorschlugen.
Die Zeit fürs „Bleiben“ oder „Gehen“ war sehr kurz bemessen und endete am 31. Dezember 1939. Die Optionsfrist für den Klerus und für einige andere Gruppen wurde hingegen bis zum 30. Juni 1940 verlängert.
Bereits vor Ablauf der Optionsfrist optierte eine ansehnliche Anzahl von Personen oft mehrmals hin und her, ein deutlicher Ausdruck ihrer inneren Zerrissenheit über die folgenschwere Entscheidung. Außerdem kamen Rom und Berlin noch 1940 überein, daß all jene, die nachweisen konnten, ihre Entscheidung unter moralischem oder physischem Druck getroffen zu haben, nochmals optieren durften. Diese Möglichkeit der „Umoptierung“ nahm ab 1941 zu, als immer mehr Deutschland-Optanten zur Wehrmacht einbezogen wurden. Dadurch läßt sich die genaue Zahl der Optanten nicht feststellen.
Il risultato delle opzioni
Beide Regime veröffentlichten aus politischer Opportunität unterschiedliche Optionsergebnisse. Die faschistische Seite, darauf bedacht, das Ergebnis herunterzuspielen, nannten 185.365 Personen, die sich im Vertragsgebiet für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden hatten, 38.247 hatten sich angeblich für die Beibehaltung der italienischen Staatsbürgerschaft ausgesprochen, 43.626 hatten „grau“ optiert, also gar nichts unternommen und behielten automatisch die italienische Staatsbürgerschaft bei. Den 69,4 Prozent „Gehern“ standen somit 30,6 Prozent „Bleiber“ gegenüber.
Anders die Zahlen der NS-orientierten Südtiroler Organisation „Völkischer Kampfring Südtirol“ (abgekürzt VKS), der daran interessiert war, ein plebiszitäres Ergebnis für das Dritte Reich zu präsentieren. Der VKS gab eine Zahl von 194.748 Optanten und Optantinnen bekannt, 90,7 Prozent. Dieser Prozentsatz entsprach dem Abstimmungsergebnis im Saarland, dessen Bevölkerung 1935 in einer Volksabstimmung für die Rückgliederung ans Deutsche Reich gestimmt hatte. Damit wollte man für Südtirol indirekt den Anspruch begründen, gleich wie die Saarländer ins Deutsche Reich heimgeholt zu werden. Realistisch dürften 86 Prozent für die deutsche Staatsbürgerschaft optiert haben.
Die von den Nationalsozialisten angestellten Überlegungen zur Um- und Wiederansiedlung der Südtiroler und Südtirolerinnen waren engstens mit ihrem Eroberungskrieg im Osten verknüpft. Die beabsichtigte Neuordnung des osteuropäischen „Lebensraumes“ unter rassischen und strategischen Gesichtspunkten benötigte entsprechendes „Menschenmaterial“, das Reichsführer-SS Heinrich Himmler, der im Oktober 1939 von Adolf Hitler zum „Reichskommissar zur Festigung Deutschen Volkstums“ ernannt worden war, in den zahlreichen in Europa außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches lebenden „Volksdeutschen“ fand. Diese lebten vor allem in der Sowjetunion, in Polen, in Estland, Lettland und Litauen, in Bessarabien und in der Bukowina, in der Dobrudscha und in der Gottschee, in Bosnien, in Belgien, Elsass-Lothringen, Dänemark und Südtirol. Von all diesen Minderheiten wurden nach 1945 nur die Südtiroler nicht bestraft. Sie wurden nicht aus ihrer Heimat vertrieben, konnten in ihre Heimat wieder zurückkehren und erhielten mit dem Gruber-De Gasperi-Abkommen bereits 1946 einen internationalen Minderheitenschutzvertrag.
Für die überwältigende Option zugunsten der deutschen Staatsbürgerschaft gab es eine Reihe von Gründen:
Dem VKS war es bei seiner Propaganda gelungen, nach dem traumatischen Empfinden der Annexion Südtirols durch Italien und durch die Entnationalisierungsmaßnahmen des Faschismus – man denke hier beispielhaft an die weitgehende Verdrängung der deutschen Sprache aus dem öffentlichen Raum wie etwa aus der Schule, der Verwaltung oder Justiz, – war es also gelungen, die Option zu einem völkisch-nationalen Bekenntnis zwischen „deutsch“ und „welsch“ umzufunktionieren.
Auch setzte der VKS stark auf „Musterdörfer“, die geschlossen optierten, oder von denen man zumindest angab, sie hätten geschlossen optiert. Das galt auch für angesehene Persönlichkeiten. Die damit verbundenen Gerüchte der geschlossenen Option für das Reich führten zu einem massiven psychologischen Druck auf Unentschlossene und Zweifelnde, sich ebenfalls der Mehrheitsentscheidung anzuschließen. Der emotionale Appell des VKS an die höheren Werte des Blutes, des deutschen Vaterlandes, der Rasse, des Deutschtums und des Volkes und gegen das niedrige, materialistische Besitzdenken zeigte weit mehr Wirkung als Appelle an die Vernunft. Gleichzeitig versuchten der VKS und die reichsdeutschen Stellen durch eine Reihe von materiellen Versprechungen Überzeugungsarbeit zu leisten. Zudem wandte der VKS in seiner „Überzeugungsarbeit“ auch Mittel psychischen Terrors an, der sozialen Ächtung, des wirtschaftlichen Boykotts, der Bedrohungen und der Übergriffe auf Leib und Leben sowie auf das Eigentum der Dableiber und Dableiberinnen.
Die sogenannte „sizilianische Legende“ und das Verhalten von Bischof Johannes Geisler (1882-1952) spielten dem VKS noch zusätzlich in die Hände. Das Gerücht, die Dableiber würden nach Sizilien, nach Abessinien oder Albanien ausgesiedelt, wurde von den italienischen Behörden, die aber bei der Südtiroler Bevölkerung ihre Glaubwürdigkeit schon längst verloren hatten, viel zu spät dementiert. Bischof Geisler hingegen verhielt sich abwartend, nahm keine Position ein, verweigerte sogar die Veröffentlichung einer Zusicherung Italiens an den Vatikan, dass es zu keiner Aussiedlung der Dableiber komme.
Noch ein weiterer propagadistischer Schachzug des VKS führte dazu, daß das Optionsergebnis so stark zugunsten Deutschlands ausfiel. Sollte die Südtiroler Bevölkerung mindestens zu 90 Prozent für die deutsche Staatsbürgerschaft optieren, so wurde verbreitet, könne Hitler nicht umhin, nicht nur die Menschen, sondern auch das Land „Heim ins Reich“ zu holen. Außerdem sei es dem italienischen Staat nicht möglich, die hohe Ablösungssumme für den Besitz von so vielen Optanten aufzubringen.
Die Südtiroler und Südtirolerinnen sollten, so das Versprechen der NS-Propaganda, in einem „geschlossenen Siedlungsgebiet“ angesiedelt werden. Solche Umsiedlungspläne tauchten zwischen 1939 und 1943 immer wieder auf, ohne jemals verwirklicht zu werden. Während des Septemberkrieges gegen Polen dachte man an die Beskiden knapp an der russischen Grenze, was bei den Südtirolern auf Ablehnung stieß. Noch vor dem Angriff auf Frankreich kursierte das Gerücht über eine Ansiedlung in Elsaß-Lothringen, nach der Kapitulation wurde offiziell Burgund als neues Siedlungsgebiet festgelegt. Die dort lebende Bevölkerung sollte vertrieben, ihr Eigentum enteignet werden. 1942 gab es Überlegungen, die Südtiroler und Südtirolerinnen auf der Halbinsel Krim anzusiedeln.
Die Dableiber setzten vor allem auf rationale Argumente und verwiesen auf den Krieg im Deutschen Reich, auf die Verfolgung der Kirche, auf die Unglaubwürdigkeit der Versprechungen und Zukunftsperspektiven in Deutschland, insgesamt auf die Unsicherheit, der man bei einer Option fürs „Gehen“ entgegenging, sowie auf den „Verrat an der Heimat“, den die Geher begehen würden.
Letztlich kämpften „Dableiber“ und „Geher“ mit ungleichen Waffen. Der VKS konnte auf eine schlagkräftige, bis ins letzte Dorf hinein perfekt funktionierende Organisation zurückgreifen. Die reichsdeutschen Stellen unterstützten die heimischen Nationalsozialisten organisatorisch und finanziell.
Hingegen wussten die „Dableiber“ keine effiziente Organisation hinter sich. Sie stützten sich im Wesentlichen auf die Pfarrhäuser und die katholische Laienbewegung. Die zwiespältige sowie lavierende Haltung der faschistischen Behörden, die sich nur unklar über die Absichten der italienischen Regierung äußerten, spielte eher gegen die „Dableiber“.
Trattamento di favore
Die Umsiedlung ins Deutsche Reich kam wegen des Krieges, der wenig ermutigenden Rückmeldungen vieler Abwanderer und Abwandererinnen, wegen der schwierigen Vermögensabwicklung immer mehr ins Stocken und endete abrupt im September 1943, als Italien sein Bündnis mit dem Deutschen Reich aufkündigte. Bis dahin hatten rund 80.000 Personen Südtirol verlassen, etwa ein Drittel der damaligen deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung.
Die Mehrheit der Optanten und Optantinnen wurde vor allem in den ehemaligen österreichischen Bundesländern angesiedelt. Der größte Teil davon blieb in Tirol (51,5%), gefolgt von Vorarlberg (7,6%), Steiermark und Kärnten mit Osttirol (7,5%), Oberösterreich (6,3%), Salzburg (5,2%), Wien, Niederösterreich und Burgenland (2,4%). 14,5% emigrierten ins Deutsche Reich in den Grenzen von 1937, 5% in andere Gebiete (unter anderem nach Luxemburg, Böhmen, Mähren und Slowenien). Von den knapp 80.000 Südtirolern und Südtirolerinnen, die ausgewandert waren, kehrten später zwischen 25.000 und 30.000 nach Südtirol zurück und wurden vielfach als „Hitlerische“ gesellschaftlich ausgegrenzt.
Die Option des Jahres 1939 war der tiefste Bruch, der jemals durch die Südtiroler Gesellschaft ging. Es war ein ideologischer Bürgerkrieg, der mit allen Mitteln der damaligen Propaganda, aber auch mit psychologischer und personeller Gewalt ausgetragen wurde. Es war aber auch das einzige Mal, dass tatsächlich „die ganze Welt“ auf Südtirol blickte. Die Medien des Westens, von Europa über die USA und Südamerika berichteten im Juli 1939 ausführlich über die angeblich definitive Lösung des Südtirolproblems.
Die Einschätzung von international anerkannten politischen Leadern der damaligen Zeit über Auswirkungen, Folgen und Signalcharakter der Option weisen darauf hin, dass die Südtiroloption als paradigmatisches Beispiel für den autoritären/totalitären Charakter von Faschismus und Nationalsozialismus interpretiert und als Beispiel und Warnung präsentiert wurde, welche katastrophalen Auswirkungen der zutiefst unmenschliche Charakter der beiden Diktaturen haben werde. Darunter befanden sich beispielsweise Leon Blum (1872-1950), Ministerpräsident Frankreichs vor und nach dem Zweiten Weltkrieg; Winston Churchill (1874-1965), Ministerpräsident Großbritanniens in den Kriegsjahren 1940 – 1945, oder die Philosophin Hannah Arendt (1906 – 1975), die von der Südtirol-Option im Rahmen ihrer Überlegungen zu den „Aporien der Menschenrechte“ spricht. Es gab Appelle gegen die Option von anerkannten Intellektuellen wie des Schriftstellers Heinrich Mann (1871 – 1950), der im Auftrag des “Aktionsausschusses deutscher Oppositioneller” im Juli 1939 in Marseille eine antinazistische Tarnschrift zugunsten Südtirols mit dem Titel: Deutsche! Hitler verkauft euch” herausgab.
Im Vergleich mit den anderen „volksdeutschen“ Umsiedlungen in das Deutsche Reich lässt sich bei aller Tragödie feststellen, dass Südtirol privilegiert behandelt wurde.
*Die Optionsfrist, die in allen Verträgen und Vereinbarungen zur Umsiedlung ins Deutsche Reich immer äußert knapp bemessen war, war in Südtirol im Vergleich zu den anderen deutschen Minderheiten großzügiger ausgefallen, wenn man das Berliner-Abkommen vom Juni 1939 als Grundlage nimmt.
* La scelta per il trasferimento è stata definita in ogni accordo come libera. In realtà sappiamo che questa "libertà di opzione" fu spesso condizionata con la forza. A confronto con quanto avvenne per altre minoranze tedesche che scelsero il trasferimento, l'opzione sudtirolese sembra comunque essere ancora quella più "libera", nonostante la parità di opportunità della popolazione fosse compromessa. Ciò nonostante, i sudtirolesi ebbero più possibilità di altre minoranze tedesche di scegliere quello che sembrò a loro il "male minore". Sebbene in maniera impari, ci fu una certa competizione, una seppur debole contrapposizione alla propaganda nazista. La scelta dei sudtirolesi tra "andare" e "restare" era un'opzione decisamente limitata, un'"opzione difettosa".
* Bedeutender als die Optionsfrist war die Festsetzung der Umsiedlungsfrist. Während die anderen Minderheiten in wenigen Monaten die Absiedlung abwickeln mussten, hatten die Südtiroler Bevölkerung dafür zwei Jahre Zeit. Dazu gab es noch eine „Generalklausel“, um die Auswanderung hinauszuzögern. Solange die wirtschaftlichen Fragen nicht geklärt waren, konnte man im Lande bleiben. Während die anderen deutschen Minderheiten als geschlossener Block und in der Regel bereits nach ein bis zwei Monaten auswandern mussten, schafften es in Südtirol Optanten und Optantinnen immer wieder, ihre Abwanderung zu verzögern und letztlich de facto scheitern zu lassen.
* In keinem der zahlreichen Umsiedlungsverträge außer in jenem zwischen Italien und dem Deutschem Reich war ein geschlossenes Siedlungsgebiet für die Umsiedler vorgesehen. An dieser in Wirklichkeit schwer umsetzbaren Zusage hielt die NS-Führungsspitze fest. Während die anderen deutschen Minderheiten durch eine Art Zwangsansiedlung in erster Linie im „Warthegau“ angesiedelt wurden, hatten die Südtiroler Bevölkerung das Recht, bei der Auswahl des geschlossenen Siedlungsgebietes mitzureden und diesbezügliche Vorschläge auch abzulehnen. Auch konnten sie Erkundungs- und Besichtigungsfahrten ins angebotene Siedlungsgebiet vornehmen.
* La popolazione trasferita dai paesi dell'Europa dell'Est venne insediata in baraccopoli anche per diversi anni. Per la popolazione trasferita dal Sudtirolo fu invece messo in atto l'ambizioso piano edilizio delle Südtiroler Siedlungen, che rappresentò per molti sudtirolesi un notevole salto di qualtà abitativa.
* In allen Umsiedlungsverträgen, mit Ausnahme des Abkommens für die Provinz Laibach, hatten die Umsiedler und Umsiedlerinnen in Fragen der Vermögensablöse kein Einspruchs- oder Mitspracherecht. Auch in dieser Hinsicht waren die Südtiroler und Südtirilerinnen privilegiert. Die Optanten und Optantinnen hatten bei der Schätzung von Vermögenswerten ein Recht auf Mitsprache und Rekurs. Eine Klausel in den Richtlinien sah die Auswanderung erst nach der definitiven Vermögensabschätzung vor, die jederzeit neu aufgerollt werden konnte. Dadurch konnten vor allem besitzende Umsiedler und Umsiedlerinnen die Auswanderung ständig hinauszögern.
Il silenzio dopo il 1945
Nach 1945 herrschte in Südtirol verordnetes Schweigen über Option und NS-Zeit. Der Entlastungsdiskurs der Südtiroler und Südtirolerinnen war bis in die 1970er Jahre im Wesentlichen ethnisch bestimmt. Man präsentierte sich als Opfer der beiden Diktaturen, vergaß dabei aber auf die eigene Mitschuld, gleich wie in Österreich. Die um diese Zeit beginnende kontroverse Geschichtsdeutung bis in die 1990 Jahre machte die Option dann zum öffentlich-politischen Thema, wobei das historische Ereignis als besonderer Stachel der Erinnerung heftige Auseinandersetzungen hervorrief. Heute befindet sich die Option auf dem Weg der Historisierung.